Worauf müssen sich Zahnmedizinerinnen und -mediziner einstellen?
Uwe Schäfer: Die größte Gefahr ist, dass gleichzeitig Umsätze zurück gehen und die Kosten steigen. Durch Corona sind weniger Praxen insolvent gegangen als zunächst befürchtet. Insgesamt sind die Ärzte gut durch die Krise gekommen. Aber nun steuern wir in ein Jahrzehnt, das wir so noch nicht gesehen haben. Inflation, steigende Zinsen, Lieferengpässe, Personalknappheit und der Krieg verändern die Rahmenbedingungen. Viele Praxen werden in eine Liquiditätskrise kommen. Dann stellt sich die Frage: Ist dies aufgrund von Umsatzeinbrüchen geschehen? Oder ist es eine Strategiekrise, weil die Praxis falsch ausgerichtet ist?
Wir haben eine simple Rechnung aufgestellt, die für viele größere Praxiseinheiten mit angestellten Zahnärzten gilt: 100 Prozent Umsatz, 75 Prozent Kosten und 25 Prozent Überschuss-Gewinn. Nun kann sich Folgendes leicht ergeben: Der Umsatz geht um 5 % runter und die Kosten steigen um 5 %. Das Ergebnis verschlechtert sich in dieser Konstellation um drastische 35 %. Und das verändert vieles.
Praxisinhaber müssen sich jetzt um die großen Dinge kümmern, in erster Linie ihrem Personal Sicherheit und Perspektiven geben. Doch der Staat und der Arbeitgeber können nicht alles kompensieren, weshalb es hilft, klare Strukturen und Transparenz zu schaffen.
Welche Gefahren sehen Sie?
Dass die Ausgaben nicht einer niedrigeren Rentabilität und damit der meist verbundenen verringerten Liquidität angepasst werden. Damit meine ich nicht nur die Praxisausgaben, sondern gerade auch private. Wer weniger verdient, muss gegebenenfalls auch seine Tilgung anpassen und damit rechnen, dass er erst später schuldenfrei sein wird.
Und: Die Personaldecke ist und bleibt eng. Deshalb sollten Praxisinhaber stärker über die Digitalisierung nachdenken, um das Team zu entlasten. Wo können Vorgänge digital optimiert werden? Vielleicht ist auch Outsourcing ein Thema. Ich muss nicht alles selbst machen, wenn auch spezialisierte Dienstleister übernehmen können.
Sie sind als Berater deutschlandweit unterwegs. Wie unterstützen Sie Praxen in der aktuellen Situation?
Wir sind nicht nur in schwierigen Phasen Sparringspartner für die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen. Unsere strategische Empfehlung ist ganz klar: weiterhin investieren. Investive Praxen und auch Unternehmen schlagen sich in Krisen besser als solche, die nur defensiv agieren und sich kaputt sparen. Es ist keine gute Idee, sich nur auf die Kostenreduzierung zu konzentrieren. Stattdessen muss der Blick auf mögliche Wachstumsfelder gehen, das Personal mitgenommen und die Finanzen im Blick behalten werden.
Ich glaube nicht daran, dass die Mega-Trends gebrochen sind, weil wir uns in einer Krise befinden. Ältere Patienten werden nicht zu einer Versorgung mit einer Brücke zurückkehren, wenn sie vorher ein Implantat hatten. Auch das Interesse von jungen Leuten an geraden und weißen Zähnen wird nicht zurück gehen. Praxen sollten kommunizieren, dass es wichtig ist, in die Gesundheit zu investieren. Und wenn die Patientinnen und Patienten dies verstehen, kommen sie weiterhin regelmäßig zur Behandlung und die Praxen verdienen Geld.